Dieses Buch von Markus Seidel spielt in der Stadt meines Herzens.
Es ist die Geschichte von Hannes, in der ich mein Berlin wiedererkenne: den Winterfeldtplatz, mit seinem bunten Treiben vor allem an Markttagen, das Vorbeischlendern an der Humboldt-Uni mit Büchertischen auf dem Bürgersteig und Abends im Lokal der Rosenverkäufer aus Indien, dessen Rosen wahnsinnig teuer und nicht mehr ganz frisch sind, seine Augen aber so groß und dunkel bitten, dass man einfach nicht nein sagen kann. Mit Hannes fahre ich in der U-Bahn bis zum Walther-Schreiber-Platz und begleite ihn in die Lepsiusstraße, wo er zusammen mit seiner Freundin Nina wohnt. Hannes liebt Nina, aber warum kann er Isabell nicht vergessen? Sich ständig wiederholende Erinnerungen, unerträglich das Warten, dass sich etwas ändert, z. B. die Erträglichkeit, denn warum kann er den Song, den er so liebt, eigentlich nicht mehr hören? Warum bekommt er Kopfschmerzen davon und warum wartet und wartet und wartet er Tag für Tag, dass sich etwas ändert? "Das Warten muss ein Ende haben" beschließt Hannes, als wieder einmal Phillip, Freund und Geschäftspartner in der eigenen Buchhandlung, weit über die vereinbarte Zeit nicht erscheint. "Die Anderen haben den letzten Stich und der Esel bin ich" und weil er das nicht sein will, beschließt er eine Auszeit. Trotz aller Mühe, den außerberlinischen Kontakten seinen Besuch schmackhaft zu machen, landet Hannes schließlich in Kreuzberg, wo er seine Isabell-Erinnerungen nach einiger Zeit schmunzelnd über Bord werfen kann und sich selbst als das, was er ist, ohne ständiges Warten leben lernt, nicht zuletzt wegen der "architektonischen Rafinesse" der allerorts präsenten Toilettenhäuschen, die sich selbst reinigen und in denen man für "fünfzig Pfennig sogar musikalische Begleitung erhält". "Umwege erhöhen die Ortskenntnis", so heißt der erste Roman des Autors und unter diesem Motto bewegen wir uns auch mit Hannes zusammen in Berlin.
Markus Seidel erhielt für seine Schreibe das Alfred-Döplin-Stipendium.
Knaur Lemon ISDN: 3-426-61511-8