Roman? Bilderbeschreibung? Milieu- oder Zeitanalyse?
Jedenfalls ein wunderbares Buch, in dem uns die Autorin Mary Basson in sanft geschwungenen Linien, selbst im krassesten Fleck an der (Lein-) Wand, durch das Geschehen führt. Gemeinsam mit der mehr als Hobby-Malerin Gabriele Münter, reisen wir durch Kunst und Geschichte, Geschlechter- und Länderkampf. Wir dürfen mitleiden, Extase nachvollziehen oder uns gemeinsam einer Erzählung hingeben, stets stimmig in Stil und Kontext und, ungeachtet der sanftlinigen, sanfthügeligen Beschreibung, nicht frei von Leid, Betrug, Angst und Verzweiflung.
„Kunst bedeutet Ausdruck, nicht Nachahmung“. In dieser Manier bleibt die Schreiberin sich stets treu, stets gleich im Ausdruck und trotzdem hinweißend, eindringlich. „Die Frage ist, warum wir malen. Nicht was“… „Wir malen, um das auszudrücken, was wir sind.“
Ein Buch, das in Stil und Inhalt völlig harmoniert – wobei Harmonie hier nicht als steter Gleichklang, übereinstimmendes Gesättigtsein verstanden werden darf. Nein. Es passt einfach, so dass trotz sanfter Linie Empörung erlaubt ist, Kritik an der Ungerechtigkeit geübt und auch die Ignoranz der Kriegstreiber und Kunstvernichter belacht, verhöhnt oder mit dicken Tränen beweint werden darf!
„Schwarze Lavaflüsse ergießen sich über ´Ellas`Seele, bis sie erstarrt und mumifiziert ist…“ und als sie die Sonne endlich wieder spürt weiß sie, daß der Name, der in ihrem Kopf war, nicht über ihre Lippen kommen durfte.
Ihr Kummer der Liebe, des Verlassenseins ist so groß, dass das Leben keinen Platz mehr in ihr zu finden scheint. Und doch, eine kleine Ahnung, dass es zu ihr zurückkehrt. Aber ist sie schon so weit, es wieder aufzunehmen?
Das sind die Fragen, die Ella sich stellt unterdessen wir uns fragen, ist es der Mann, der Künstler Kandinsky, der sie erst an sich bindet und dann verstößt, geht, ohne ein Wort und ohne Rückkehr, oder ist es vielmehr die Zeit, die die Frau in vorgegebene Rollen zwängen will, sie unter Vorurteilen schwer leben lässt? Aber wer macht die Zeit?
Obwohl verschmäht vom Manne Kandinsky in ihrem sehnlichsten Wunsch, eine „ehrbare Frau“ sein zu dürfen, besiegt Ella Schmerz und Zorn und zollt dem Künstler ihre Hochachtung, indem sie seine Bilder zusammen mit ihrem neuen fried- und respektvollen Gefährten vor den Nazis in Sicherheit bringt.
Sieg der Hochachtung und Anerkennung einer außerordentlichen künstlerischen Begabung über Eifersucht und Konkurrenz. Dafür sind wir Menschen.
„Die Kunst war ihr Leben – Kandinsky ihr Schiksal.“
Aufbau Verlag GmbH & Co.KG.
Die Originalausgabe unter dem Titel „Saving Kandinsky“ erschien 2013 in den USA.
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Weber-Jaric
ISBN 978-3-7466-3338-1