Der Erwählte

Was Thomas Mann uns hier genüßlich presentiert, ist eine Erzählung in der Erzählung in der Erzählung in der…..

Auf der obersten Ebene, quasi das Ganze umschlingend, finden wir den Erzähler, den Mönch der Askese, der Bildung und der Aufklärung.
Seine Ansichten sind überraschend weise, psychologisch klar erkannt und definiert und der christliche Glaube dient ihm als Verfechter der Gnade und der Toleranz.
Er, der nur durch die Anderen erlebt und fühlt, zeigt außerordentliche Klarsicht gepaart mit hoher Intelligenz und selbstlosem Einfühlungsvermögen.

Die Geschichte des Kindes ist die des Kindes, des Sohnes, Ehegatten, Neffen und Bruders und nicht zuletzt die, des reuigen Sünders.
Reue für seine Taten, doch nicht getan durch ihn – oder doch?
Oder doch ein wenig oder ganz und gar?
Nicht stehlen will und wird er sich aus der Verantwortung und
Güte und Weisheit sind die Werkzeuge, gepaart mit Kraft und Selbstvertrauen,
die ihn die Welt ein bischen besser machen lassen.

Das Geschwisterpaar, Eltern, Tante, Schwester, Bruder, Cousin und Cousine dem ausgesetzten Kinde, bestimmt das gesamte Geschehen
oder fängt es schon beim Vater an, Grimald, dem Herzog in Artois und Flandern?

Ein wenig verraten möcht ich Euch vom Kinde, welches tief in der Seele geahnt, „daß, wenn es nicht richtig war mit seinem Leben, es nun wieder gar mit seiner Richtigkeit höchst unrichtig stehe?“
„Mein Sohn, mein Sohn, nicht jedem frommt es, gar so genau zu wissen, wer er ist…“
„Aber menschliches Ermessen reicht nicht weit, ausgenommen in des Erzählers Fall, der die ganze Geschichte bis zu ihrem wundersamen Ausgange kennt…“

Zu büßen fährt der Held über das erregbare Meer, völlig ignorierend die Mannschaft, die nichts zu büßen, jedoch als einzig schmückendes Beiwerk auch keinerlei Bedeutung besitzt. Hier merkt der Erzähler sehr wohl die Arroganz, die jene, die der Fortlauf der Geschichte so dringend, wenn auch nur im Stillen agierend benötigt, als möglichen Verlust, sprich Kollateralschaden, ohne Trauer und Bedeutung in Kauf nimmt.
„Doch waren sie ja nur Nebenpersonen.“
Sie an, und somit sind wir in der Moderne und immer wiederkehrenden Moderne gelandet!
Im Übrigen weiß ich aus Erfahrung, dass es keine Nebenpersonen gibt – aber das sei eine andere Geschichte.

Wir bleiben bei der unsrigen und erleben den vieljährigen Minnekrieg, der das Kind zum Helden gebiert und Ödipus im Spiegel der Ereignisse erscheinen lässt. „Sehr oft ist das Erzählen nur ein Substitut für Genüsse, die wir selbst oder der Himmel“…die Moral…“uns versagen.“

Hut ab vor dem Erzähler, und seinem eigenen Dichten auf der Grundlage von Hartmann von der Aues Gesta, der Herr Mann ´durch Amplifizieren, Realisieren und Genaumachen des mytisch Entfernten sich alle Mittel zunutze macht, die der Psychologie und Erzählkunst in sieben Jahrhunderten zugewachsen sind.`
Wer Spaß an diesem kleinen Büchlein hat, welches ein großes Werk der Aufklärung, Bildung, Freiheit und Toleranz beherbergt, kann eigentlich nur unterstützend ausrufen „Ja, rettet das gedruckte Wort, denn alleine hierfür lohnt es sich!“
Hey, ibims!

1985 Verlag Phillip Reclam jun. Leipzig
1951 by Thomas Mann
renewed 1979 by Katja Mann
Text nach:Thomas Mann, Der Erwählte. In: Thomas Mann, Romane und Erzählungen, Bd.6, Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1975
Lizenz Nr.363.340/41