Geschichte einer Liebe – Adele Schopenhauer und Sybille Mertens

Wollen wir das wieder erleben?

Eine Gesellschaft, in der Frauen ihre Legitimation ausschließlich in der Ehe mit einem Mann erhalten? In der nicht offen über lesbische Liebe geredet, geschweige, sie gelebt werden darf? In der jedes männlich produzierte Werk mehr Anerkennung erhält allein aufgrund seiner männlichen Basis, als jedes hoch künstlerische, exquisit recherchierte oder gefertigte Werk einer Frau nur aufgrund seiner Weiblichkeit?

Du hast recht, lieber Leser, Besucher, liebe Interessentin, lieber Mann, liebe Frau, kurz alle, die nicht zurückwollen in die „gute alte Zeit„, z. B. in die Zeit vor 1977, ja, richtig gehört, bzw. gelesen, dass noch bis einschließlich 1976 die Frau ihren Ehegatten um die Erlaubnis und entsprechende Unterschrift für den Arbeitgeber einer erwerbstätigen Arbeit bitten musste.

Adele Schopenhauer lebt und wirkt in dieser Zeit, stets bestrebt, ihre Ehrbarkeit, den Stand in der Gesellschaft mittels einer Ehe zu festigen.
Dieses blieb ihr jedoch Zeit ihres Lebens versagt, leider, da es ihr auch die Befreiung aus der Beziehung und letztendlichen Abhängigkeit zu einer herrschsüchtigen und egozentrischen Mutter erspart hätte.

Nicht versagt blieb ihr die Liebe ihrer Gefährtin der letzten Jahre,
Sybille Mertens.
Nach der unerfüllten Liebe, entgegengebracht
Ottilie Goethe, wird Adele in ihrem letzten Lebensabschnitt versorgt von Sybille, behütet und gepflegt und hat es doch verlernt, sich darauf einzulassen und nicht schuldig zu fühlen ob der ihr dargebrachten finanziellen und menschlichen Unterstützung.

„Dreh – und Angelpunkt der bürgerlichen Existenz einer Frau war“, wie schon erwähnt, „die Ehe, und Adele bekam es allenthalben zu spüren, dass ihr Leben auf den Hauptpunkt für Frauen verpfuscht war.“
Trotzdem gab es auch die frohe Seite darüber, dass ihr die Ehe letztendlich erspart blieb. „Männer nähmen Frauen nicht ernst. Ihre Verehrung sei eigentlich Unterdrückung: die meisten, auch die Rechtlichen, betrachten uns wie poetische Wesen, darum geben sie uns kein Bürgerrecht auf der Erde.

Das hier vorliegende, von Angela Steidele zusammengetragene Buch, nimmt, entgegengesetzt der sonst üblichen Geschichtsschreibung, schaffende und künstlerisch tätige Frauen ins Visier, so auch Anna Jameson, deren Reiseberichte noch heute gerne gelesen werden.
Mit Vorliebe wird hier „das ach so christliche Abendland“ kritisiert und die indianische Kultur dagegen gestellt, die mit ihrer zwanglosen Kindererziehung, ihrer Medizin und der indianischen Kriegsführung, welche Vergewaltigung als unmännlich ablehnt, von der Autorin hoch gepriesen wird.

„Im englischsprachigen Raum ist Anna Jameson als Autorin eines mutigen Aufsatzes über die fatalen Folgen von Mädchenarbeit bekannt.
Bildung für Frauen und Mädchen zur Verbesserung der Lebensumstände aller Menschen lautete eine ihrer Forderungen, die, global gesehen, noch lange nicht überholt ist.“
„Da sie davon ausgeht, Frauen und Männer seien verschieden, aber gleichberechtigt, gehört sie zu den Müttern des sogenannten Differenzfeminismus, der bis heute diskutiert wird.“

Arthur Schopenhauer, der Bruder Adeles, heute noch als Philosoph in unseren Universitäten präsent, tritt in seinen Schriften dagegen offen frauenverachtend auf und schafft mit seinem „Ueber die Weiber“ einen „peinigenden und peinlichen Text“, nicht zuletzt aus persönlichem Hass auf den Lebensstil seiner Schwester und Neid auf deren finanziell gesicherte Existenz. „Er verneinte wider besseres Wissen die Möglichkeit eines Lebens, wie es seine Schwester und ihre Lebensgefährtin geführt hatten. Angesichts der wissenschaftlichen Lebensleistung von Sybille Mertens und Adeles künstlerischen und kunsthistorischen Arbeiten ist seine Behauptung, Frauen hätten keinen Sinn für die Künste und die Wissenschaften, geradezu rätselhaft“

Dieses Buch erzählt uns die Geschichte der Liebe zwischen zwei ungewöhnlichen Frauen, die nicht nur in ihrem Privatleben Grenzen einrissen und die ihnen stets wiederholt in den Weg gelegten Felsbrocken kreativ genutzt und zu neuen Figuren verarbeitet haben.

Insel Verlag Berlin 2010
Dieses Buch wurde durch ein Stipendium der Klassik Stiftung Weimar und ein Arbeitsstipendium der Kunsstiftung NRW gefördert.
ISBN: 978-3-45 -17454-7