Schloss aus Glas

„Ich nestelte an meiner Perlenkette und fragte mich, ob ich nicht doch zu elegant für die Party angezogen war, …“
So beginnt die Geschichte von Jeanette Walls und dann stand da plötzlich ihre Mutter, „zum Schutz gegen die Kälte hatte sie sich Lumpen um die Schultern gewickelt, und sie inspizierte den Abfall, während ihr Hund, …., zu ihren Füßen spielte.“
Hilfe will sie keine von der Tochter, „mir geht es gut. Du bist es, die Hilfe braucht. Deine Werte sind total durcheinander geraten.“

„Unsere Familie bricht auseinander,“ sind die Worte des Vaters, denen mit Entschlossenheit und wildem Selbstschutz, „Worauf du dich verlassen kannst“, entgegengeschleudert wird.
Irgendwann wird Jeannete klar, dass sie ihr Leben in die eigene Hand nehmen muss, wenn sie nicht im Bodenlosen enden will. Diese Erkenntnis raubt ihr schier den Atem. Nicht länger den beschwichtigenden Lügen des Vaters glauben, seine Mißachtung der Familie gegenüber sich endlich einzugestehen und den Diebstahl am hart erarbeiteten und gesparten Geld der Schwester nicht mehr vor sich selbst vertuschen – das alles führt zur einzigen Konsequenz ihrem Leben auf eine lebenswerte, überhaupt lebensmögliche Bahn zu verhelfen – sie muss der Illusion ihrer Familie entfliehen.
„Dad, sagte ich, sobald ich die letzte Schulstunde in diesem Jahr hinter mir habe, steige ich in den nächsten Bus, der hier rausfährt. Wenn der Busverkehr bis dahin eingestellt sein sollte, fahr ich per Anhalter. Ich gehe auch zu Fuß, wenn es sein muss. Bau von mir aus dein Glasschloss, aber nicht für mich.“

„Jeannette Walls ist ein glückliches Kind: Ihr Vater holt ihr die Sterne vom Himmel und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Was macht es da schon, mit leerem Bauch ins Bett zu gehen oder in Nacht – und – Nebel – Aktionen“ mal wieder „den Wohnort zu wechseln. Doch irgend wann ist das Bett ein Pappkarton auf der Straße“ und die vielgelobten inneren Werte nur noch eine aufgeplusterte Illusion die sich wie eine Tarn – Decke um die Realität Verantwortungslosigkeit und Verwahrlosung legt.

Gut, dass die Autorin den Sprung in ihr eigenes Leben geschafft hat, gut für uns vor allen Dingen, da wir sonst kaum in den Genuss dieses verrückten und widersprüchlichen Lesevergnügens gekommen wären.
Gut, dass sie niemals die Liebe zu ihrer ach so verrückten Familie verloren hat, gut für sie und der damit verbundenen Freiheit, ihrer Herkunft schnörkellos ins Auge zu schauen.
Und vielleicht gibt es nichts Besseres, als den von ihrer Mutter geäußerten Trinkspruch, um das Leben mit ihrem Vater prägnant zusammenzufassen: Es war niemals langweilig!

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „The Glass Castle“
im Verlag Scribner, New York

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Deutsch im Diana Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH

ISBN: 978-3-453-35135-6