Der Name Deutsches Haus gehört im Roman von Anette Hess zu einer Gaststätte, die von der wahrhaftigen Heldin Eva Bruhns Eltern betrieben wird.
Wir schreiben das Jahr 1963, ein Jahr des Aufbruchs, aber auch der Verarbeitung all des Zurückliegenden, des Unfassbaren, Unbenennbaren.
Persönlich finden wir auf der einen Seite die Konvention – die Stellung der Frau als gehorsame Geliebte ihres Ehegatten, auf der anderen Seite die Revolution der eigenen weiblichen Gedanken, Vorstellungen, Taten.
„Aber was ist das Hauptsächliche“, würde Evas Vater fragen in der Ahnung des Unaussprechlichen, Wissen – Nicht – Wissen – Wollenden.
Das Hauptsächliche sind die Opfer. Zeugen bei Gericht, Erzähler dessen, was im Lager geschah und wieder Opfer, da oft die genaue Zeiterinnerung der erlittenen Grausamkeiten fehlt und die Glaubwürdigkeit dadurch in Zweifel gezogen wird.
Das Hauptsächliche sind auch die Täter. Gut situiert inzwischen, angesehen und ach, was muss man sie jetzt noch, zwanzig Jahre danach an – den – Pranger – stellen.
Zur Verantwortung ziehen?
Eva, Dolmetscherin in diesem Prozess, darf ihre Arbeit nicht weiterführen. Der Verlobte will es so und siehe da – er hat das Gesetz auf seiner Seite.
Die Entscheidung, eigenes Wachsen oder der Liebe sich beugen, trifft EVA, indem sie den Verlobungsring zurück gibt.
Die Liebe noch im Herzen tanzt und trinkt sie sich frei und wendet sich dem zu, der sie bei den ungeheuerlichen Wahrheiten begleitet.
„She loves you yeah yeah yeah yeah“ (Beatles Song aus dem Jahr 1963) und auch der Verlassene darf an ihr wachsen.
Wir aber bleiben bei Eva. Begleiten sie auf der Fährte ihrer eigenen Erinnerungen – „Die Männer in den gestreiften Anzügen waren dünn …“ und „bewegten sich, als wäre in ihnen niemand mehr zu Hause.“ – und sie begreift, dass diese Schuld nicht eingestanden werden kann, die Zahl der Opfer zu groß, zu unfassbar, als dass man sagen könnte > ja , ich habe es gewusst und meinen Teil dazu beigetragen<. Verpflichtet werden sollen die Opfer, Trost und Vergebung zu spenden denn wer will schon die Scham, wo alles doch längst vgergangen ist! Ich weiß nicht was – wo – und wie geschehen ist. Kenne keine Zeitzeugen, keine Berichte aus erster Hand.
Aber ich kenne die – soll man doch endlich in Ruhe lassen Aussprüche und die – haben wir nicht gewußt – Ansagen und ich frage mich, wenn das Anzünden eines Kinderwagens zur Abschreckung nichtdeutscher Familien und dem damit verbundenen Risiko, ein ganzes Wohnhaus abzufackeln und die darin Lebenden zu töten als „Dummejungenstreich“ gewertet wird – auf welchem Wege sind wir dann?
„Dieser Roman kommt genau zur richtigen Zeit.“ (Iris Berben)
2018 by Ullstein Buchverlage GmbH Berlin