Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit. Michael Ende – Roman eines Lebens

Ein großer, sprich, langer Titel für einen großen Schreibenden. Einen, der wie kein Anderer, die innere Welt nicht nur der Kinder, in Figuren und Orte packt und sie im Lande Phantasien ansiedelt und leben lässt, bis dass das Nichts sie verschlingt.
Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht zu verhindern wüssten. Schaut nur, wie Momo und Beppo sich beim Straßenkehren unterhalten, ohne sich um „Zeitverluste“ oder „- ersparnisse“ zu scheren. Begleitet Adreju durch die „Sümpfe der Traurigkeit“ und spendet ihm Trost, wenn er seinen treuen Freund verliert und begleitet Lukas und Jim Knopf auf ihrer Emma von Lummerland nach Kummerland aber fürchtet Euch nicht vor dem Scheinriesen, den mehr als ihr leidet er unter dem Schrecken, den er bei erster Sichtung stets unter den Neuankömmlingen verbreitet.

„Wenn Sie zu mir hereingekommen sind, um vor dem Regen zu flüchten, brauchen Sie nichts zu kaufen“ ist der erste Satz, den Michaels zukünftige Mutter an seinen zukünftigen Vater richtet.
Sie ist klein und augenscheinlich älter als der Mann, der in ihrem Laden Zuflucht vor den Naturgewalten sucht.
Sogleich erinnern wir uns an Sebastian aus der „Unendlichen Geschichte“. Auch er sucht und findet Schutz in einem Laden und auch hier beginnt in diesem Laden das, wovon wir später lesen werden, all die Abenteuer, die wir zusammen mit Bastian Baltasar Bux bei der Erfüllung seiner großen Aufgabe erleben werden.

Aber zurück zu der kleinen Frau, Luise ist ihr Name und was sie dem Maler Edgar anbietet ist Schutz. Und auch hier in diesem Laden beginnt eine neue Geschichte. Die Lebensgeschichte des Michael Ende und der Anfang dessen, was uns und unseren Kindern so wunderbare und geheimnisvolle Stunden beschert.

„In jedem Menschen lebt ein Kind,
Das kommt aus andern Welten.
Die Herrscher, die von Diesseits sind,
Die lassen es nicht gelten.“ Michael Ende: Kindermord.

Seine Bücher waren lange Zeit kritisiert, da „ohne pädagogischen Wert“ und er selbst verlacht.
„Kinderbuch Autor“ galt ihm ein Schimpfwort, was seine Manuskripte immer wieder ablehnen und ihn beinahe ganz aufgeben ließ.

Aber nicht vorgreifen wollen wir. Betrachten wir das Verhältnis Mutter – Sohn.
„Nie mehr allein“…Luise verliebt sich sofort und unendlich in ihren neugeborenen Sohn, den sie nie mehr los lassen will.
Damit ist ein weiterer Behälter geschaffen, aus dem der Mensch und Dichter Michael Ende sich nicht befreien aber reichlich für seine Geschichten schöpfen kann. Freiheit finden in der Fantasie, in Fantasien, wenn das reale Leben eingeengt und mit übergroßer Liebe verschlossen wird.

Mit dem Vater bildet der junge Ende eine Einheit der Märchen und Geschichten, aus der die Mutter sich häufig ausgeschlossen fühlt und ihr Netz aus Liebe immer enger um Michael webt.

Manchmal wünscht sich der Junge, dass wie in der Schule das Übertreten der Regeln auch zu Hause geahndet wäre, dass seine Mutter ihm einen Preis abverlangt.
Einen Preis für Aufbegehren und Widersprechen.
Nur so, könnte er seinen eigenen Entwicklungsweg finden ohne ängstliche Rücksichtnahme und frei von Schuldgefühlen.

Als der Vater die Mutter verlässt, versinkt Michael zuerst immer tiefer im „Nichts“, vor dem ihn und die Welt scheinbar nichts retten kann.
Aber nicht er versinkt in den „Sümpfen der Traurigkeit“.
Er arbeitet sich mit großer Anstrengung aus ihnen heraus und findet nach und nach seine „kindliche Kaiserin“, die an ihn glaubt und für die er „brennen“ kann.
Denn das ist es, was er sucht: etwas, jemand, wofür es sich zu brennen lohnt!

In einer Zeit, in der die Angst vor Freiheit, Selbstentwicklung und Lebensfreude die Normen bestimmt, behält auch nach dem offiziellen Siegeszug des Nationalsozialismus
das Brauchtum seine allzu große Macht. Man möchte dazugehören, sein, wie die Anderen.
Selbstsicherheit gehört nicht dem Individuum und seinem kreativen Können.
Selbstsicherheit entspringt allein der Homogenität und damit notgedrungen der großen Lüge von der Gleichheit aller und der noch größeren Angst, durch Ich-Sein Allein-Sein zu erzeugen!

Micheal Ende hat sich mutig seine ureigene Welt geschaffen.
Nicht fern von jeglicher Realität, im Gegenteil!
Der, der es lesen kann, findet genau seine Realität in der allumfassenden Welt der Fantasie.
Alles ist möglich. Alles ist gekannt, selbst gelebt, geträumt und gefühlt und damit der größte Reichtum, der dem Geist zuteil werden kann.

In seiner Welt will Michael Ende „seine Hände nicht in den Kübel mit niemals wieder sauber werdender Dreckwäsche stecken“, als sein Finanzberater sich verspekuliert und sein ganzes neu erworbenes und dringend benötigtes Vermögen in den Sand setzt.
„Ich werde nicht als Nebenkläger gegen Herrn Peters auftreten“ erklärt er. „Meine finanzielle Lage wird sich dadurch nicht verbessern, und an Genugtuung ist mir nicht gelegen.“

„Innen und außen sind eben doch eins. Aus der Verschmelzung von Innen- und Außenwelt entsteht die Einzigartigkeit, die Einmaligkeit eines Menschen. Und zu jedem faktisch gelebten Leben gehört immer auch ein Phantasien.“

2019 Julia Eisele Verlags GmbH, München
Inhalt kuratiert von Roman Hocke
ISBN: 978-3-96161-069-3