Besonders ist nicht, dass es in dem Roman von Mirjam Pressler
um jüdische Identität und Antisemitismus geht.
Nicht mehr besonders als andere Identitäten, Lebens- und Völkergeschichten.
Das Buch aber ist besonders.
Die Schreibe der Autorin bringt uns genau diesem einen Volk näher, so nah,
dass wir erkennen dürfen, es gibt ihn nicht, den einen Juden.
Den, dem sie alle gleichen. Dem, der so und so ist und weshalb die anderen
auch genau so und so sind.
Es gibt ihn genau so wenig, wie den Christen, den Moslem, den Buddisten oder gar den,
der von sich selbst und anderen Atheist genannt wird.
Es gibt sie alle, ja! Und doch sind sie so verschieden, so individuell als Mensch,
dass in ihrer verschiedenheitlichen Individualität der Jude dem Araber ähnlicher sein kann
als dem jüdischen Nachbarn. Der Christ sich eher vom Atheisten verstanden fühlt
als vom eigenen Glaubensbruder, mit dem er die Kirchbank in der Messe teilt.
Und der Buddhist dem Moslem die Hand reicht, um sich beim Erheben vom Platz unter dem Baum stützen zu lassen.
Laura begreift dies immer mehr!
Sie vorurteilt, erlebt und revidiert.
Unterstützt wird sie dabei unter anderem von Frau Küppers, ihrer Geschichtslehrerin:
„…die meisten Israelis sind Juden, aber nicht alle. So wie im grundsätzlich christlichen Deutschland längst nicht alle Christen sind und im katholischen Italien nicht nur Katholiken leben.“
„Man kann durchaus etwas gegen Israels Politik haben, ohne gleich antisemitisch zu sein. Aber sobald man sagt > die Juden sind so oder so <, ist es etwas anderes. Es gibt bei uns Leute, die grundsätzlich antisemitisch sind und Israels Politik nur als Vorwand nehmen, um ihre Ablehnung gegen alles Jüdische laut auszusprechen.“
Also bleiben wir dabei: Nichts Besonderes der Jude in diesem Buch.
Aber das Buch selbst, die Schreibe, drückt genau dies in besonderer Form aus.
Zwei verschiedene Geschichten, verbunden durch Lauras Mutter und den Schatz, und natürlich Laura selbst, bringen uns das zuvor Gesagte nahe.
Lassen Pauschalität und festgefahrene Denkmuster verschwimmen und bereichern uns so durch eine neue Unvoreingenommenheit.
Verlag Beltz & Goldberg 2019
ISBN: 978-3-407-81238-4