"Das Leben", sagt Moritz leise, "ist ein Angebot, das man auch ablehnen kann."Und er schenkt Mia zum Abschied die ideale Geliebte.
Auch etwas, was man eigentlich ablehnen kann.
Ein Geschenk. Klingt gut. Ideal eben.
Aber was soll man davon halten, wenn sie, die Geliebte, einem vom Bruder vererbt wird? Wenn nur die Beschenkte sie sehen, riechen und fühlen kann?
Wenn sie nur in einem Gehirn - quasi virtuell - vorhanden
und doch das Tröstlichste auf der ganzen Welt ist?
Mit Moritz kann Mia nicht mehr diskutieren.
Ihm kann sie nicht mehr widersprechen um dadurch mehr Nahrung für die, noch fremden, Gedanken im eigenen Kopf zu erhalten.
Mit der idealen Geliebten aber ist das möglich. In Fortsetzung quasi.
Als weiterhin Vorhandensein der Gefühle, Gedanken und daraus resultierenden Lebensweise des toten Bruders.
RHK - Das Recht auf Krankheit.
Das Recht zum Beispiel, keine Maske zu tragen, um den Bezug zur Aktualität überdeutlich zu machen. Das Recht, an Corona zu erkranken.
Können wir soweit mitgehen?
Bei einem unbedingten "Ja" lugt nun allerdings ganz verstohlen ein "RAG" um die Ecke. Was ist mit ihm? Dem Recht auf Gesundheit?
Müssen die Beiden, RAK und RAG nun Feinde sein? Ich sage nein.
Nicht die unterschiedlichen Ansichten sind die Gegner.
Gegner ist das Nichtanerkennen, dass es unterschiedliche Ansichten gibt. Vereint werden könnten beide mit Anerkennung des jeweils Anderen.
Ein Nebeneinander wäre damit durchaus möglich.
Wir werden sehen, ob das Buch eine Lösung für uns bereit hält.
Oder das Leben.
"Dem wahren Menschen genügt das Dasein nicht, wenn es ein bloßes Hier-Sein meint". "Nur wenn ich mich auch für den Tod entscheiden kann, besitzt die Entscheidung zugunsten des Lebens einen Wert."
Das sind die Worte von Moritz!
Aber es geht hier nicht um Leben und Tod.
Es geht um ´Normal sein´, ´Dazu zu gehören`. "Aber was ist normal?" Zum Glück gibt uns die Autorin hier keine Endlösung. Sie zeigt uns einige Möglichkeiten, fordert uns auf, den Blickwinkel zu wechseln und es wird uns klar - muss uns endlich klar werden - dass die Antwort auf diese Frage immer einem zweischneidigen Schwert gleichen muss. Je nach dem, ob man in der selben Ecke steht wie der, der aktuell das Sagen hat oder wehe dem, der seinen Platz sich in der gegenüberliegenden Ecke eingerichtet hat! Beide Seiten durfte ich bis zu einem gewissen Maße kennenlernen und kann daher sagen: das Eine lebt und das Andere erlebt man. Vergleichbar mit der Opfer - Täter Aufteilung. Wohl fühlt man sich in beiden Ecken nicht. Eben so, wie Mia zu sagen pflegt: "Ich finde beides ausgesprochen unerfreulich." Nun, damit allerdings sitzt sie auf dem Zaun, wie die ideale Geliebte ihre Meinung dazu formuliert. Ein Wesen, das auf Zäunen lebt. In oder auf dem Dazwischen und sich zu keiner Seite bekennen mag. Ein Hexenwesen. Eine Hexe. Eine gefährliche Position. Ohne Clique. Ohne Anhänger. Ohne Fürsprecher! Vogelfrei sozusagen. Zwischen Geburt und Tod begegnen wir dem, was wir als ´Ich`bezeichnen. Wir füllen es aus mit Erlebnissen, Taten, Begebenheiten und manch einer meint, wir hätten die Wahl. Sich keiner Gruppe anzuschließen. Keiner Doktrin zu dienen. Keine Ansprüche durchsetzen zu wollen. Nur einen einzigen Anspruch haben: den auf die eigene persönliche Wirklichkeit und damit in Ruhe gelassen zu werden! Yo, Leute, das würde ich unterschreiben. Frau Zeh, Sie sprechen mir tatsächlich immer wieder aus der Seele. Die vorliegende Lektüre wirkt auf mich wie ein Drehbuch. Aufgeteilt in viele kleine Akte. Die Kulissen sind überschaubar. Drei verschiedene insgesamt. Wodurch ein Szenenwechsel ohne viel Aufwand zu bewältigen ist. Da ich inzwischen auch das erklärende Werk der Autorin zum Buch gelesen habe ist mir klar, warum das so ist und dass mein Eindruck durch die ursprüngliche Form gestützt wird. Wie cool ist das denn!? Schauspieler mit diesem Thema auf der Bühne. Eindringlich. Minimalistisch geführt und begleitet. So eindringlich und mit klaren Bildern, dass wir noch mehr sehen, noch mehr begreifen dürfen.
Der Klappentext auf dem Umschlagrücken bezeichnet es als "Das unverzichtbare Begleitbuch zu Juli Zehs Erfolgsroman >Corpus Delicti<
Ich halte es als durchaus für verzichtbar wenn auch, wie der Roman selbst, brilliant und sehr ehrlich anmutend von der Autorin zu Papier gebracht.
Verzichtbar daher, weil es, zumindest war es bei mir so, das in Worten beschreibt, was der Roman - Inhalt/ Stil - schon neben der konkreten Handlung an den Leser weitergibt.
Weil aber "verzichtbar" - "man kann darauf verzichten" -
eher ein negatives Gefühl von "muss ich nicht haben" vermittelt,
möchte ich es jetzt bewusst positiv ausdrücken:
Das Begleitbuch spiegelt genau das wieder, was man schon im Roman über die Autorin erfahren, erfühlen, erlesen kann.
Eine Stilkünstlerin, Begreif- und Schreibkünstlerin ist sie.
Ein Grund mehr, das gedruckte Wort zu retten - oder wie würde es klingen:
Hey, ibims. Was geht?Voll krass, Alter, mit der Mia! Die Methode. Voll agro!
Naja, warum nicht.
Und eine Abbitte an die Nutzer dieser oder einer anderen,uns Alten nicht zugänglichen Ausdrucksweise: ich beherrsche sie nicht und sie lässt mich Einiges vermissen an dem, was die mir geläufigen Worte vermitteln.
Aber spannend wäre es schon, wenn einer sich die Mühe machte zu übersetzen.
Hey, was geht? Und wenn es dann Einige voll agro macht, wäre das Ziel erreicht.
Für mich war die Lektüre eine bestätigende Bereicherung.
Für andere Leser mag sie eine gesuchte Erklärung, ein AHA-Erlebnis, ein Blickpunktwechsel, eine Diskussionsgrundlage und und und ... sein.
Was auch immer!
Auf jeden Fall stellt sie eine positive Ergänzung zum Roman dar.
Auf auf! Hier gibt es Antworten auf die Fragen zu Juli Zehs Roman
´Corpus Delicti`!
Viel Spass! Und vor allem viel Fantasie, Erkennen, Vorstellen, Nachfragen, beim Lesen beider Werke, und, ein Zitat aus dem Buch der Fragen und Antworten sei mir noch erlaubt:
"Die Vorgeschichte von ´Corpus Delicti` sind wir.